Keine Tage wie diesen

Jeder kennt Tage, an denen man sich Unendlichkeit wünscht.

Aber es gibt auch Tage, die man nicht noch einmal erleben möchte.

Ein solcher Tag begann bei mir ganz entspannt mit einem Frühstück

bis es kurze Zeit später klingelte.

Ich öffnete die Haustür und schaute in die erschrockenen Augen meines

Sohnes.

Er fragte mich, ob Joscha bei mir ist.

Joscha ist mein ältestes Enkelkind.

Er geht in die erste Klasse und sollte eigentlich seit einer halben Stunde

in der Schule sein.

Seine Lehrerin hatte angerufen, weil Joscha nicht in der Klasse war.

 

Die Nachricht durchzuckte meinen Körper und gab mir einen Stich ins Herz.

Joscha war nicht bei mir. Doch wo sollte er  sein? 

Joscha geht immer auf dem direkten Weg zur Schule.

Meistens rennt er sogar.

Auf dem Rückweg lässt er sich schon mal mehr Zeit aber auf dem Hinweg

gibt es bei ihm keine Spielpausen und Umwege.

 

Mein Sohn drückte mir Joschas kleinen Bruder in die Arme

und rannte los in Richtung Schule.

Joschas Mama machte sich zeitgleich mit dem Auto auf den Weg.

 

Ich versuchte mich zu beruhigen. 

Joschas kleiner Bruder war ganz entspannt.

Er überlegte, wo Joscha wohl seine Schultasche abgestellt haben könnte.

 

Mir schwirrten tausend Gedanken durch den Kopf

und meine Anspannung war enorm.

Die Minuten verstrichen nur langsam.

 

Dann kam eine Nachricht auf mein Handy:

"Alles ok" schrieb mein Sohn.

Meine Anspannung löste sich und mir kullerten Tränen über die Wangen.

 

Ich wartete gespannt auf weitere Informationen,

die ich auch kurze Zeit später bekam:

Joschas Lehrerin hatte sich vertan.

Sie hatte die falsche Mama angerufen.

Joscha saß ganz normal auf seinem Platz in der Klasse und löste

seine Aufgaben.

 

Es kann passieren, dass man die falsche Nummer wählt.

Aber dass die Lehrerin von Joscha spricht und eigentlich ein anderes Kind meint,

gibt mir zu denken.

 

Ob die Frau wohl weiß, was sie mit diesem Telefonat angerichtet hat?

Für mich war der Tag gelaufen und für Joschas Eltern mit Sicherheit auch.

Die erschrockenen Augen meines Sohnes gingen mir den ganzen Tag nicht

mehr aus dem Kopf.

 

Bestimmt lastet auf den Lehrerinnen und Lehrern im Moment ein besonders großer Druck.

Aber auch sie sollten einmal tief durchatmen, bevor sie Panik verbreiten.

Es waren nur 10 Kinder im Klassenraum und die sollten eine Lehrerin nicht überfordern.

 

Ich habe diesen Tag abgehakt und ich wünsche mir, dass ich nie wieder so viel Angst

um meine Schätze haben muss.

 

Susanne

 

FreiRaum

weiblich # anders # wunderbar  


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Kommentare: 2
  • #1

    Ulla (Mittwoch, 28 April 2021 09:27)

    Liebe Susanne,
    das war ein großer Schreck in der Morgenstunde gestern! Kann ich gut nachvollziehen. Seltsam finde ich es auch, dass die Lehrerin Kinder verwechselt und die falsche Mama anruft. Wer weiß, wie es ihr gestern Morgen ging....Ich hoffe, sie hat sich deutlich entschuldigt!
    Zum Glück ging alles gut aus für euch, und hoffentlich waren letztendlich alle Kinder wohlbehalten in der Klasse.
    Ich wünsche Euch, dass Ihr diese Ängste nicht wieder ausstehen müsst und Ihr und Eure Schätzchen gut behütet seid!
    Einen schönen Tag heute! Ulla

  • #2

    Nina (Mittwoch, 28 April 2021 18:36)

    Oh ja, in diese Situation möchte man als Eltern oder Großeltern niemals geraten, diese Ängste niemals ausstehen müssen… Es lässt sich aber leider nicht vermeiden. Irgendwann passiert es fast immer, dass das Kind nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zu Hause ist, sich verspätet, weil es noch Kaninchen angucken muss, länger als gewöhnlich für den Schulweg braucht oder sich mit Freunden verquatscht hat. Die Sorgen sind dann quälend, die Ängste groß und nicht immer kann man einen Schuldigen dafür finden…
    In diesem Fall ist das anders. Die Lehrerin hat einen Fehler gemacht – einen sehr ärgerlichen und dummen Fehler, der schreckliche Gefühle ausgelöst hat.
    Allerdings passieren Fehler und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Lehrerin dieser Fehler sehr Leid tut und sie sich entschuldigt hat.
    Ich kenne die Lehrerin nicht. Ich weiß nichts von ihr. Ich weiß nicht, wie belastend für sie dieses Coronajahr ist, wie groß ihre Angst vor Ansteckung ist, wenn sie sich jeden Tag in ihre Klasse zu Erstklässlern begibt, denen es sehr schwer fällt Abstand zu halten und die auch immer wieder ihre Maske vergessen aufzusetzen. Ich weiß nicht, unter welchem Druck sie steht, weil sie möchte, dass alle ihre Schüler*innen das Klassenziel erreichen, obwohl sie nur die Hälfte der Stunden in der Schule verbringen. Vielleicht wagt sie es nicht, sich krank zu melden, weil ihre Schüler*innen dann noch mehr Stoff verpassen würden. Vielleicht macht sie sich selbst gerade große Sorgen um einen Verwandten, der gerade beatmet wird. Vielleicht hat sie auch nur schlecht geschlafen, weil ihr Kind sie wachgehalten hat. Vielleicht hat sie auch einfach nur einen dummen Fehler gemacht. Ich weiß es nicht, deshalb kann ich sie nicht verurteilen…
    Übrigens hätte ich es in meiner letzten ersten Klasse vermutlich nicht geschafft, die Eltern aus dem Unterricht heraus anzurufen, egal ob mit 10 Kindern oder mit 28. Ich habe nämlich weder ein Diensthandy, noch ein Telefon im Klassenraum und meine Schüler*innen saßen leider ohne mich nicht alle so brav am Platz wie mein Neffe und erledigten ihre Aufgaben. In diesem Fall wäre das bestimmt besser gewesen, aber in einem anderen vielleicht auch nicht…

    Nina